Über Sterben, Tod und Auferstehung – ein Gespräch

Verfasst von am 17. Mai 2016 in Seminare

Der Buchmarkt ist voll mit Titeln die mit dem Thema Tod und Auferstehung zu tun haben. Diese beinhalten gute Tipps, Einsichten und Inspiration und was wir vor unserem Tod noch alles erleben, tun oder lassen sollten. Von „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ bis zu zu „ Die sieben Geheimnisse guten Sterbens“ – die Bücher versuchen die Leser an ein Tabu-besetztes Thema heranzuführen, auch durch die Auswertung von Forschungsergebnissen und über die Erfahrungsberichte anderer Menschen.

Oliver Fratzke und Willi KiechleOliver Fratzke
Gestalttherapeut (Z-f-G), Heilpraktiker für Psychotherapie (HPG), Ausbilder und Supervisor in Gestalttherapie und HRT, Gründer und Leiter des Heldenweg-Instituts
Oliver Fratzke
 und Willi Kiechle
Gestaltcoach (AKG), Ausbilder und Supervisor Heldenreiseleiterausbildung, Yogaleherer und Yogalehererausbilder,
Willi Kiechle
  beschreiten am Heldenweg-Institut einen anderen Weg mit dem Seminar „Tod und Auferstehung“.

Das Seminar von Heldenreise-Erfinder Paul Rebillot bietet mutigen Teilnehmern die Möglichkeit selbst sehr persönliche Erfahrungen mit dem Thema zu machen. Die beiden Seminarleiter unterstützen diesen tiefgreifenden Prozess feinfühlig und mit sehr viel Engagement und Freude, wovon ich mich in einem Gespräch mit beiden überzeugen konnte.


Stefanie: Das Seminar „Tod und Auferstehung“ ist neu im Programm des Heldenweg-Institutes – Oliver, wieso hast Du das Seminar ins Programm aufgenommen?

Oliver: „Tod und Auferstehung“ war ein ganz wichtiges, zentrales Thema für mich selbst. Mich persönlich verbindet mit dem Seminar unglaublich viel. Es war die kraftvollste Erfahrung, die ich bisher als Seminar-Teilnehmer gemacht habe. Und ich habe das Gefühl, dass das Thema Tod und Auferstehung nicht nur mein persönliches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema ist. Allerdings wird es nicht sehr oft direkt ausgesprochen – es ist eher ein Thema, das beiseite geschoben wird. Und auch deswegen möchte ich das Thema benennen und anderen Menschen die Möglichkeit geben, sich damit zu befassen und vielleicht eine ganz eigene Erfahrung zu machen.

Das ist auch der Grund, warum ich es ins Programm aufgenommen habe – weil ich wirklich Lust habe mit Menschen an diesem Thema zu arbeiten.

Stefanie: Willi, was bedeutet Dir das Thema?

Willi: Mich hat das Thema schon immer fasziniert. Als ich der Arbeit von Paul Rebillot begegnet bin, dachte ich „Ja, ich will dieses Seminar machen – Tod und Auferstehung.“

Dann habe ich gehört, dass man vorher die „Heldenreise“ machen sollte und dachte „Ja, ok, dann mache ich die halt auch noch.“ Und dann habe ich die anderen Seminare von Paul Rebillot gemacht und „Tod und Auferstehung“ erst zum Abschluss der Seminarreihe. Und es hat für mich Sinn gemacht das am Schluss zu machen. Für mich war es sehr tiefgreifend und an manchen Punkten überraschend, was im Seminar passiert ist. Man kann sich zwar vorher gedanklich damit auseinandersetzen, aber wenn man wirklich den Prozess geht werden Dinge einfach klarer.

Das Leben ist kostbar. Und es geht im Alltag oft verloren das Leben in seiner Intensität auch wirklich zu leben.

Vor kurzer Zeit hat mich eine kanadische Freundin gefragt: „Willi, what’s in your bucket list?“ Die „bucket list“ ist die Liste von den Dingen, die Du unbedingt noch erleben willst bevor Du stirbst. Also die Dinge, die dir besonders wichtig sind im Leben. Ich glaube viele Leute haben das gar nicht so auf dem Schirm, was zu einem erfüllten Leben dazu gehört. Von dem ich, wenn ich irgendwann sterbe, sagen kann: „Ja, das war ein gutes Leben, ich bin zufrieden.“ Das ist die erste wichtige Frage, glaube ich.

Und der zweite Punkt ist der Zeitpunkt. Es gibt meiner Erfahrung nach viele Leute – und ich habe auch dazu gehört – die zwar so eine Liste haben von Träumen und Wünschen, wie: einmal mit Delfinen zu schwimmen, mich mit meinen Eltern auszusöhnen oder wirklich den Job zu machen, den ich will und der mir Freude macht – aber es findet in der Vorstellung irgendwann in der Zukunft statt. Irgendwann in der Zukunft, wenn die Kinder aus dem Haus sind, wenn ich mal genug Zeit oder Geld habe – und oft findet es dann nie statt.

Und was dieser Prozess „Tod und Auferstehung“ macht, wenn Du wirklich in die Vorstellung hinein gehst, dass Du in ein paar Tagen stirbst: er nimmt dir die Zukunft. Der Prozess nimmt dir die Zeit weg. Und das ist dann ein höchst spiritueller Zustand, wo du sagst: „Jetzt!“ Jetzt ist deine letzte Gelegenheit dich von den Menschen zu verabschieden, es ist die letzte Gelegenheit, zu tun was du wirklich tun willst. Und das führt in eine Erfahrungsintensität und in eine Lebendigkeit, die mich begeistert.

Oliver: All die Dinge, die ich nicht gemacht habe und machen möchte – das ist die eine Seite. Und auf der anderen Seite geht es auch um all die Anhaftungen. Dinge, die mir so wichtig erscheinen, die großen Raum einnehmen in meinem Leben. Auch die zu hinterfragen, ob sie tatsächlich diesen Raum auch verdienen, oder ob sie vielleicht einen Platz einnehmen, wo meine tatsächlichen Bedürfnisse und deren Umsetzung hingehören.

Das heißt es geht auch darum Dinge loszulassen, um mich den Dingen zuzuwenden, die wirklich wichtig für mein Leben sind. Die Erfüllung meiner Sehnsüchte zur Entwicklung meines eigenen Lebens. Wie möchte ich in der Welt wirklich sein und wie halte ich mich vielleicht davon ab. Und daran arbeiten wir mit dem gestalttherapeutischen Ansatz.

Stefanie: Wann ist der richtige Zeitpunkt dieses Seminar zu machen?

Oliver: Für mich gibt es in der Seminarreihe von Paul Rebillot nur eine persönliche richtige Reihenfolge. Sicher ist es richtig die „Heldenreise“ am Anfang zu machen und diese Reihenfolge geben wir bewusst vor, um mit dieser Erfahrungs- und Bewusstsein-Arbeit überhaupt in Kontakt zu kommen. Dazu ist das Heldenreise-Seminar einfach sehr geeignet.

Nach der „Heldenreise“ erlebe ich die Menschen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen. Da stehen nicht alle an der gleichen Stelle. Die Teilnehmer entscheiden sich individuell, was bei ihnen gerade wichtig und vordergründig als Thema präsent ist.

Willi: Also für mich ist die wichtigste Voraussetzung um an dem Seminar teilzunehmen eine innere Bereitschaft sich wirklich auf dieses große Thema und auch auf die Intensität des Seminars einzulassen. Wenn jemand die Bereitschaft hat und sagt: Ich will mich damit auseinandersetzen, ich will wirklich aufräumen in meinem Leben, ich will den alten Ballast loslassen und neu starten – dann ist das ein guter Zeitpunkt für „Tod und Auferstehung“.

Stefanie: Und es ist Mut erforderlich, sich mit dem Sterben zu konfrontieren. Der Sterbeprozess ist ja nichts Banales.

Oliver:

Es gibt gute Gründe sich nicht die ganze Zeit mit der Sterblichkeit zu konfrontieren. Gleichzeitig ist es eine große Chance sich dem Thema auszusetzen.

Gerade dann, wenn das Thema mehr in den Blick kommt und Dich stetig beschäftigt. Wenn ich noch einmal zurückdenke an meinen eigenen Prozess, dann war eine große Angst damit verbunden. Angst Dinge zu verlieren, die mir wichtig sind. Angst mich mit anstehenden Dingen zu konfrontieren. Für mich war das insgesamt ein sehr angstbesetztes Thema. Und mich mit dieser Angst zu konfrontieren, zu erforschen wovor ich mich wirklich fürchte, wenn ich mir erlaube da hinzuschauen, was liegt hinter meiner vordergründigen Angst – dabei unterstützt der Seminar-Prozess sehr schön.

Stefanie: Kann man sich auf das Seminar vorbereiten? Und wie kommen Teilnehmer zu dem Seminar?

Oliver: Wenn man sich entschließt in das Seminar zu kommen, hat man sich auf jedem Fall schon mal mit dem Thema auseinandergesetzt und man hat gemerkt, dass es ein eigenes Thema ist. Eine formale Vorbereitung für das Seminar gibt es aber nicht. Ich glaube nur, man sollte die Entscheidung, an diesem Seminar teilzunehmen, sehr bewusst treffen. Es unterstützt, sich ganz bewusst auf das Thema einzulassen, es nicht nur einfach als eine weitere Erfahrung zu sehen, auf die ich mich einlasse. Es hat schon etwas sehr Fundamentales und Ernsthaftes. Ich werde mir viele Dinge anschauen und mich auf den Prozess einlassen, unabhängig davon was kommt. Ich weiß ja als Teilnehmer vorher nicht genau was da passiert im Seminar.

Willi: Ja, das sehe ich ähnlich. Was ich bei bisherigen Teilnehmern des Seminars beobachte: das Leben bereitet die Leute auch vor, es gibt es so einen Geschmack von radikaler Veränderung.

So einen Geschmack kriegt man manchmal, wenn jemand aus der Familie krank ist. Das kann Prozesse in Gang bringen, auf einmal werden andere Dinge wichtig und oft profitieren davon auch Familienmitglieder, wenn sie zum Beispiel in einen tieferen Austausch kommen in einer Todesbedrohung. Oder jemand hat einen Autounfall gehabt und gemerkt „Oh, das war aber knapp“ und so schon ein Prozess anstoßen worden ist. Oder jemand liest das „Tibetische Totenbuch“ oder das „Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“ und denkt „Wow, das ist ein interessantes Thema“. Oder jemand hat einfach die Bereitschaft. Und das möchte ich den Leuten schon gerne vermitteln:

Wenn Du in dieses Seminar kommst ist es gut die Bereitschaft zu haben, dass dein bisheriges Leben endet, so wie du es bisher gelebt hast.

Dass du bereit bist, das etwas Neues anfängt. Dass du wirklich all das, was du bisher gelebt hast, zumindest in Frage stellst und bereit bist dich davon zu lösen. Und dann kannst du schauen: Was ist wirklich meine Essenz, die leben will? Wie will ich mich wirklich im Leben ausdrücken? Und was ist zur Gewohnheit geworden, was habe ich von den Eltern übernommen oder was sind gesellschaftliche Werte, die mir vielleicht gar nicht entsprechen. Es braucht eine Bereitschaft mit all dem aufzuhören, so dass ich mein Ureignes leben kann,.

Man kann das Seminar auch auf einem ‚Low Level‘, mit weniger innerer Beteiligung, durchgehen, aber mein Wunsch ist, dass Leute wirklich mit einer klaren Haltung kommen: OK, ich mache eine Zäsur, schließe mit allem Alten ab und bin bereit für den Neubeginn.

Oliver: Ich glaube der Fokus in dem Prozess ist: Ich bewege mich auf ein Ende hinzu, ohne zu wissen was da an Neuanfang kommt. Ich habe vielleicht die Hoffnung, dass nach dem Ende etwas kommt, aber ich bewege mich tatsächlich auf ein Ende zu.

Und darin steckt die Radikalität, indem ich sage: Ich schließe alles so ab, als wenn danach nichts mehr kommt – mit allen Konsequenzen. Wenn ich mir nämlich an der Stelle schon erlaube, über das Ende hinwegzudenken, dann täusche ich mich über das Ende hinweg.

Es geht wirklich in aller Radikalität darum sich auf das Ende einzulassen, zu sagen: Hier endet mein Leben.

Ich verabschiede mich von allem was mir wichtig ist, von der Natur, Menschen, Beziehungen – so als ob ich sie nie wiedersehe. Ich kläre, was da noch an offenen Themen ist, die ich in Kontakt bringen möchte. Mit all dem Schmerz, der damit verbunden ist, mit der Trauer, die dann hochkommt.

Und es ist wichtig für die Teilnehmer sich darauf einzustellen. Es ging ja um die Frage, wie können sich die Teilnehmer vorbereiten. Die Teilnehmer sollten sich also auf ihr Ende vorbereiten, was auch immer dazu gehört.

Ich denke, wenn Menschen sich sehr mit ihrem Glauben beschäftigen, gerade im religiösen Bereich, dann ist es immer auch die Hoffnung an das Leben danach, das so verheißungsvoll klingt. Aber eigentlich geht es aus meiner Sicht in der Religion auch darum, das Leben zu leben. Das Leben heute und hier zu erleben und sich auszudrücken. Das wird aus meiner Sicht häufig falsch verstanden. Im Seminar geht es darum sich mit dem Thema Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Was danach kommt, das werden wir sehen.

Willi: Was ich bei mir und auch bei anderen erlebt habe, wenn du dich Tag für Tag von mehr verabschiedest: es wird leichter. Als wenn du Ballast abwirfst und das Leben wird purer. Solange Du noch lebst…


Das Gespräch mit Oliver und Willi führte Stefanie Tuschen. Den zweiten Teil des Gesprächs findet ihr hier im Heldenweg-Blog.

 

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